Dez. 2010

Comedia

Die Basler Lektion


Von Andreas Gross

«Die Zeitung ist nicht nur ein Produkt, ein Verleger ist mehr als ein Unternehmer. Zeitungen gehören nicht nur ihrem Besitzer, sondern auch der Gesellschaft.» Das schrieb 1980 Marc Lamunière, der Gründer von Edipresse, Vater von Pierre Lamunière, der 2009 seine Zeitungen dem Zürcher Medienkonzern Tamedia verkauft hat.

Basel illustrierte in den vergangenen Wochen, wie sich der zweite Satz Lamunière’s materialisiert, wenn dem ersten nicht nachgelebt wird. Tito Tettamanti wurde im März 2010 BaZ-Verleger und blieb ein Spekulant. Freilich ein Spekulant mit politischen Absichten. Denn es sollte 2010 mit der Basler Tageszeitung wiederholt werden, was 2002 mit der Weltwoche im Portfolio der Jean Frey AG schon einmal gelungen war: Die gefrässigen Zürcher Medienhamster (Tamedia, Ringier, NZZ) ausbremsen und unter dem noblen Anspruch «Medienvielfalt» die liberale Öffentlichkeit schmälern. Markus Somm sollte mit der BaZ wiederholen, was seinem Ex-Chef Köppel mit Zürichs Weltwoche gelang.

Ausgerechnet in der offensten, transnationalsten Stadt der Schweiz sollte das Denken in engen nationalen Grenzen neu verankert werden. Ausgerechnet in jenem Kanton, in dem die SVP das Bürgertum noch nicht erfasst hatte, wollten sich SVP-Gralshüter geschäftlich und ideologisch verankern. Und es war ausgerechnet die NZZ am Sonntag, die im Oktober ausplauderte, dass auch in Basel SVP-Übervater und Milliardär Blocher ganzheitlich involviert war: Geschäftlich, konzeptionell und politisch.

Doch dies war vielen zu viel. Lamunière’s zweite Erkenntnis wurde deutlich: Trotz aller Frustrationen, mit dem ihnen auch in 33 Jahren fremd gebliebenen monopolistischen Fusionsprodukt BaZ, so kaputt waren Basels Gesellschaft noch nicht. Sie werte sich sofort und auf breitester Basis. Die baslerischen Diskurse von «Verleger» Martin Wagner waren als Leerformeln entlarvt, Somm’s sogenannter frischer Wind in der Redaktion unglaubwürdig gemacht und der Titel BaZ drohte vollends bachab zu gehen. Innert fünf Tagen äusserten fast 20'000 Baslerinnen und Basler ihren Willen, Basel – nicht nur seine Zeitung – retten zu wollen. Tettamantis zivilgesellschaftliche Sensibilitäten versagten zwar - er verwechselte einen demokratischen Aufstand mit Mobbing – , seine pekuniären Instinkte funktionierten aber richtig: Er entledigte sich seines Spekulationsobjektes wie der Fischer eines stinkenden Fisches.

So schnell hatten sich so viele Menschen in der Schweiz schon lange nicht mehr so deutlich durchgesetzt. In Basel ist zeitungspolitisch nichts mehr wie vorher. Tettamanti/Blocher/Wagner aber auch Hagemann sind weg. Somm wird zwar bleiben, doch weiss er, dass er nach innen wie aussen nur überzeugen kann, wenn er seine liberalen und pluralistischen Potenziale ernst nimmt und umsetzt. Alles andere werden sich die Basler nicht mehr gefallen lassen.

Und für die Schweiz setzten die Baslerinnen und Basel ein ganz grosses medienpolitisches Zeichen: Sie illustrierten, dass es auch bei uns immer noch genug Menschen gibt, die merken, wenn das Geschäft mit den Voraussetzungen einer Demokratie zu weit getrieben wird und gestoppt werden muss.

Hoffentlich merken sich dies endlich auch die Zürcher Hamster.


Kontakt mit Andreas Gross



Nach oben

Zurück zur Artikelübersicht