28. Dez. 2007

Deutschlandradio

Der vergessene Konflikt: Tschetschenien


Europarat erwägt Wahrheitskommission nach südafrikanischem Vorbild. Auch nach Ende der Tschetschenienkriege herrscht in der Kaukasusrepublik nach Einschätzung des Berichterstatters der parlamentarischen Versammlung des Europarats, Andreas Gross, kein Frieden.

Voraussetzung für Frieden seien eine Versöhnung und die Möglichkeit der freien Meinungsäusserung, betonte der schweizerische Sozial­de­mo­krat am Freitag im Deutschlandradio Kultur. Noch immer müssten die Menschen Angst um ihr Leben haben, wenn sie nicht die Meinung der dominanten politischen Strömung Russlands unter Putin teilen würden:

«Dann muss man Angst haben, keine Arbeit und keine Wohnung zu bekommen - vielleicht sogar, wenn man einen Sohn zwischen 15 und 20 Jahren hat, dass der entführt wird.» In den beiden Kriegen nach dem Zerfall der Sowjetunion habe nahezu jede Familie mindestens einen Angehörigen verloren. Oft wisse niemand, was aus den Familien­mit­gliedern geworden sei, sagte Gross: «Das ist das Schrecklichste und da wird nichts gemacht. Wenn man etwas machen würde, würden Kadyrow und sein Regime sich selbst in Frage stellen.»

Gross verwies auf Überlegungen innerhalb des Europarats über eine Wahrheitskommission nach südafrikanischem Vorbild. Ohne funktionierendem Rechtssystem könne so als Übergangslösung zumindest die Wahrheit an die Öffentlichkeit kommen. Er warnte aber: «Ich bin mir völlig bewusst, dass es sehr gefährlich ist. Das könnte auch eine Methode sein, den Aufbau eines unabhängigen Rechtssystems zu verhindern.»

Die Politiker Europas mahnte Gross, den Konflikt im Dialog mit Russland immer wieder anzusprechen: «Man muss mit den Herrschenden, und das ist in diesem Fall vor allem Moskau, darüber reden. Europa kann sich nicht leisten, ein solches Unrechtsgebiet zu dulden, weil der Kaukasus eine europäische Region ist.»


Kontakt mit Andreas Gross



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