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18. März 2005
Europarat
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«Was heute nicht möglich ist, kann in 15 oder 20 Jahren möglich werden»
Karl-Otto Sattler
Wer wird nach der Tötung des Rebellenführers Aslan Maschadow durch russisches Militär am Runden Tisch in Straßburg teilnehmen?
Neben den 15 ParlamentarierInnen aus dem Kreis der 46 Mitgliedstaaten des Europarates sind es einerseits die Moskau nahestehenden Behörden Tschetscheniens und andererseits Russen und Tschetschenen, die der tschetschenischen Opposition nahe stehen, jedoch mit Terror nichts am Hut haben und vorläufig die Integrität der Landesgrenzen der Russischen Föderation anerkennen. Dazu kommen noch ExpertInnen von NGOs, Unis, Medien und unabhängigen Institutionen. Zur Opposition gehören auch Tschetscheninnen und Tschetschenen, die dem ermordeten Aslan Maschadow nahegestanden sind. Wir dürfen nicht vergessen, dass er zwar diejenigen repräsentierte, welche vernünftig sind und sich für eine politische Verständigungslösung aussprachen, jedoch nicht deren einziger Vertreter war. Es ist zwar jetzt noch viel schwieriger geworden, diese zu finden und zu sammeln, doch wir haben dies versucht und es ist dies uns teilweise auch schon gelungen.
Werden etwa der amtierende Präsident Alu Alchanow und der russische Menschenrechtskommissar Wladimir Lukin kommen?
Gewiss, beide werden dabei sein und gleichsam die beiden höchsten Moskauer Russen darstellen, wenn ich dies so sagen darf. Freilich sollte man meinen Kollegen Konstantion Kosachew nicht vergessen, stellvertretender Vorsitzender des Runden Tisches und ein sehr vernünftiger Mann, der in den vergangenen zehn Monaten in einer intensiven Zusammenarbeit mein Vertrauen nie Missbrauchte und immerhin nicht nur Vorsitzender der russischen Delegation beim Europarat ist sondern auch Vorsitzender der aussenpolitischen Kommission der Duma.
Können in dem durch den Tod Maschadows aufgeheizten Klima Gespräche überhaupt Erfolge bringen? Was erhoffen Sie sich von dem Treffen am Montag?
Gespräche können nur Voraussetzungen schaffen, damit in Verhandlungen politische Lösungen und damit ein Erfolg für den Frieden aller in Tschetschenien lebender Menschen erreicht werden kann. Und der Runde Tisch vom kommenden Montag ist nur ein ganz aller erster Anfang für einen solchen Gesprächsprozess, der Anfang des Anfangs sozusagen. Es müssen Menschen miteinander reden lernen, die bisher glaubten, mit den anderen könne man nicht mehr reden. Gelingt uns am kommender Montag ein gelungener erster Dialog, dann werden weitere folgen und der Kreis der Teilnehmenden wie auch die Liste der zur Diskussion anstehenden Themen wird auf der Basis des Konsenses erweitert werden können.
Fürchten Sie, dass in Tschetschenien jetzt die Falken auf beiden Seiten Auftrieb erhalten und sich der Krieg weiter verschärft?
Maschadow wurde von Herrschaften ermordet, welche jegliche Alternative zum Krieg sabotieren wollen. Solche Herrschaften gibt es auf beiden Seiten, in den Hauptstädten wie in den Bergen Russlands und Tschetscheniens. Ich kann leider nicht einmal ausschliessen; dass der Zeitpunkt seiner Ermordung etwas mit dem anstehenden Runden Tisch zu tun hat. Skeptische Teilnehmer sollten abgehalten und eingeschüchtert werden. Geholfen hat dieser Mord nur den Falken auf beiden Seiten. Umso mehr müssen sich aber all jene; die sich mit diesen Falken nicht identifizieren treffen und Auswege aus der Sackgasse des Krieges, der Gewalt und des Terrors finden , die von vielen Seiten aus auf die grosse Mehrheit der Menschen in Tschetschenien ausgeübt werden.
Könnte der Europarat mit verstärkten Vermittlungsbemühungen gegensteuern, sollte Straßburg mit der EU gemeinsam Initiativen starten?
Neben dem Runden Tisch sollten vor alle, die führenden Regierungen Europas das Gespräch mit den in Moskau verantwortlichen suchen und diesen Alternativen aufzeigen und darlegen, dass wenn Tschetschenien ein Teil Russlands bleiben soll, es keine Alternative dazu gibt , um den Tschetschenen in Tschetschenien auch eine Heimat zu ermöglichen - heute ist ihre Heimat ihnen zur Hölle geworden und in der Hölle kann sich kein Mensch zu Hause fühlen.
Nicht eingeladen sind jene Rebellen, die eine Unabhängigkeit Tschetscheniens wollen und zu terroristischen Mitteln greifen. Kann es aber eine Lösung ohne dieses militante Lager geben, das nun mal zu den Konfliktparteien gehört?
Mit Menschen; die Kinder zu Geiseln machen und diese ermorden kann es keine politische Verständigung geben. Diese müssen Gerichten zugeführt und bestraft werden. Jeder, der politisch denken kann und weiss wie es heute um Russland steht, der weiss, dass sich Russland heute auf keine Trennung von Tschetschenien verständigen kann. Autonomien sind aber in Demokratien und Rechtstaaten immer Verständigungsabkommen auf Zeit; was heute nicht möglich ist, kann in 15 oder 20 Jahren möglich werden. Das kann lman von den erfolgreichen europäischen Autonomien lernen. Zu dieser Überzeugung ist kurz vor seiner Ermordung sogar Aslan Maschadow gekommen, wie ich von absolut sicherer Quelle weiss.
Kann der Europarat über Initiativen wie den jetzigen Runden Tisch in Moskau die Bereitschaft zu einer politischen Lösung in Tschetschenien fördern?
Wir können nicht nur die Bereitschaften an verschiedenen Orten fördern sondern auch dazu beitragen; dass wir alle Umständen näher kommen, welche die Aufnahme eines echten Dialoges zwischen ganz verschiedenen Seiten ermöglichen. Und aus einem solchen Dialog können Verhandlungen werden, die uns dem Frieden näher bringen, das heisst der Verbindung der Interessen Russlands mit den Freiheits- und Selbstbestimmungsbestrebungen der meisten Tschetscheninnen und Tschetschenen.
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Andreas Gross
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