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20. Aug. 2004
Alexandra Stark in Moskau für
swissinfo und SDA
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Europarats-Delegation mit Andreas Gross auf dem Weg nach Tschetschenien
Am Sonntag wird in Tschetschenien ein neuer Präsident gewählt. Von
einer eigentlichen Wahl könne trotz sieben Kandidaten nicht die Rede sein,
sagt Andreas Gross, der für den Europarat nach Grosny unterwegs ist.
Gross warnt aber davor, schwarz-weiss zu malen: «Nur eine differenzierte
Betrachtung der Situation ermöglicht es, zukunftsträchtige Lösungen zu
erarbeiten.»
Viel deutet darauf hin, dass der Sieger der Präsidentschaftswahl vom Sonntag
in Tschetschenien feststeht, bevor die eigentliche Wahl überhaupt begonnen
hat. Denn dass der vom Kreml unterstützte Kandidat Alu Alchanow, ehemaliger
tschetschenischer Innenminister, nicht gewählt werden könnte, glaubt
niemand. Politbeobachter in Moskau gehen davon aus, dass Alchanow mit
ähnlich hohem Ergebnis gewinnen wird, wie sein Vorgänger, Achmat Kadyrow.
Dieser war im Oktober 2003 mit 80.8 Prozent der Stimmen gewählt worden. Das
Resultat allerdings kam durch massive Manipulation zustande. Nachdem Kadyrow
im Mai bei einem Anschlag ums Leben gekommen ist, müssen die Tschetschenen
nun zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres einen neuen Präsidenten wählen.
«Dass die Wahl zur Farce wird, scheint tatsächlich absehbar», sagt Andreas
Gross, der im Auftrag des Europarates seit vier Jahren regelmässig das
Krisengebiet im Nordkaukasus besucht. Seit vergangenem Jahr ist er
Rapporteur des Europarates für Tschetschenien. Von Freitag bis Montag wird
er als Co-Leiter einer sechsköpfigen Delegation in Tschetschenien weilen, um
die humanitäre und politische Lage in Tschetschenien zu überprüfen.
Gross warnt allerdings davor, die Situation zu sehr zu vereinfachen. «Böse
Russen, liebe Tschetschenen» diese in den Medien verbreitete Sichtweise
werde der Situation überhaupt nicht gerecht: «Man kann natürlich wirklich
sagen, dass die Wahl keine echte Wahl ist, aber das greift zu kurz, weil so
eine simple Aussage nicht dazu beiträgt, Lösungen für das Problem zu
entwickeln», sagt Gross.
«Die Situtuation ist äusserst kompliziert. Es prallen die verschiedensten
Interessen aufeinander. Neben politischen spielen auch wirtschaftliche,
militärische und kulturelle Faktoren eine Rolle», sagt Gross, der nach
Tschetschenien reist, um einen Bericht zuhanden der parlamentarischen
Versammlung des Europarates vorzubereiten. Die Versammlung will im Oktober
über die Lage in Tschetschenien beraten: «Ziel ist es, eine ausführliche
Auslegeordnung zu machen, differenzierte Sichtweisen zu berücksichtigen, und
damit die Grundlage für die Ausarbeitung von Lösungsansätzen zu legen.»
Neben Gesprächen mit offiziellen Vertretern sind auch Treffen mit Vertretern
von Nichtregierungsorganisationen vorhergesehen. Geplant sind unter anderem
Treffen mit dem tschetschenischen Übergangspräsidenten Sergej Abromow und
dem Präsidialbevollmächtigten für Südrussland, Wladimir Jakowlew. Gross hofft, auch mit der Bevölkerung Kontakt aufnehmen zu können. Seine
Erfahrungen zeigen aber, dass dies gar nicht so einfach ist: «Viele haben
Angst, dass sie nach solchen Gesprächen existenzielle Probleme bekommen»,
sagt er und fügt bei: «Das sagt auch einiges über die Wahlen aus: Wahlen
sind keine Wahlen, wenn die Menschen Angst haben, ihre Meinung zu äussern», sagt Gross.
Präsidentschaftswahlen in Tschetschenien
Europarats-Delegation mit Andreas Gross auf dem Weg nach Tschetschenien.
Moskau (sda). Wenn in Tschetschenien am Sonntag ein neuer Präsident gewählt
wird, weilt auch eine Delegation des Europarates mit dem Zürcher
SP-Nationalrat Andreas Gross und dem Polen Tadeusz Iwinski an der Spitze in
Tschetschenien.
Als Favorit gilt der vom Kreml unterstützte Kandidat Alu Alchanow,
bisheriger Innenminister Tschetscheniens. «Dass die Wahl zur Farce wird,
scheint tatsächlich absehbar», sagt Andreas Gross. Der Rapporteur des
Europarates für Tschetschenien warnt davor, die Situation zu sehr zu
vereinfachen.
«Man kann natürlich wirklich sagen, dass die Wahl keine echte Wahl ist, aber
das greift zu kurz, weil so eine simple Aussage nicht dazu beiträgt,
Lösungen für das Problem zu entwickeln», sagt Gross, der mit einer
sechsköpfigen Delegation im Auftrag des Europarates die humanitäre und
politische Lage in Tschetschenien überprüfen soll.
«Die Situation ist sehr kompliziert. Es prallen die verschiedensten
Interessen aufeinander. Neben politischen spielen auch wirtschaftliche,
militärische und kulturelle Faktoren eine Rolle», sagt Gross. «Ich nehme
deshalb alle Gelegenheiten wahr, um einen authentischen Eindruck bekommen zu
können»
Gross hofft, auch mit der Bevölkerung Kontakt aufnehmen zu können. «Das ist
aber gar nicht so einfach, viele haben Angst, dass sie deshalb existenzielle
Probleme bekommen», sagt er. «Das sagt auch einiges über die Wahlen aus:
Wahlen sind keine Wahlen, wenn die Menschen Angst haben, ihre Meinung zu
äussern», sagt Gross.
Neben Gesprächen mit offiziellen Vertretern sind auch Treffen mit Vertretern
von Nichtregierungsorganisationen vorhergesehen. Geplant sind unter anderem
Treffen mit dem tschetschenischen Übergangspräsidenten Sergej Abromow und
dem Präsidialbevollmächtigten für Südrussland, Wladimir Jakowlew.
Die Ergebnisse des Besuchs fliessen in Berichte zuhanden der
parlamentarischen Versammlung des Europarates, die im Oktober über die Lage
in Tschetschenien beraten werden wird. «Ziel ist es, die verschiedensten
Facetten darzulegen und damit die Grundlage für die Ausarbeitung von
Lösungsansätzen zu legen.»
Andreas Gross
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