22.11.2002

Tages Anzeiger

Auftritt vor der Uno

Als erster Schweizer Parlamentarier ist SP-Nationalrat Andreas Gross vor der Uno aufgetreten. Er forderte eine Reform nach europäischen Mustern.

Von Walter Niederberger, New York

Eigentlich wollte sich die Schweiz nach der Aufnahme als Vollmitglied im September zunächst auf die Arbeit hinter den Kulissen beschränken. Auftritte von Parlamentariern in der laufenden Vollversammlung waren keine vorgesehen. Der Zürcher SP-Nationalrat Andreas Gross jedoch sah eine Gelegenheit zu einem Votum, meldete sich persönlich an und erhielt am frühen Mittwochabend ein Zeitfenster von acht Minuten zugeteilt. Die Range waren wie immer, wenn es um institutionelle Fragen geht, spärlich besetzt. Nur eine Hand voll Delegierte verloren sich im dezent beleuchteten Halbrund.

Gross sprach nicht als Nationalrat, sondern als einer der Uno-Initianten und als Vizepräsident der Parlamentarier des Europarates zur Zusammenarbeit der Uno mit anderen Organisationen. Die Uno sollte im Zentrum einer umfassenden Reform stehen, die zu einer «Globalisierung der Demokratie» führe, sagte Gross. Dabei könne der Europarat als Beispiel für den Aufbau eines Parlamentes innerhalb der Uno dienen. Als erster kleiner Schritt zur breiteren Abstützung ist die Aufnahme der Interparlamentarischen Union (IPU) als ständige Beobachterin vorgesehen. Die IPU ist die älteste internationale Organisation mit Abgeordneten aus 140 Ländern.

Einen weiteren Reformpunkt sieht Gross beim Aufbau eines Wirtschaftrates. Ähnlich wie der Sicherheitsrat in der Aussenpolitik müsste sich der Wirtschaftsrat für globale stabile Märkte und Finanzen einsetzen. Die Idee stammt von Jacques Delors, ist jedoch bislang nicht vom Fleck gekommen, da die Grossmächte und namentlich die USA eine Schwächung ihrer Position befürchten und selbst die Entwicklungsländer kein Interesse zeigen.

Weitere Mitwirkung ungewiss

Das Votum gibt nicht die Meinung des Bundesrates wieder, weshalb Gross es explizit als persönlich darstellen musste. Allerdings war die Rede mit der Schweizer Uno-Mission abgesprochen. Auf Wunsch der Diplomaten strich Gross die Bemerkung, wonach eine neue Finanzierungsbasis die Uno unabhängiger von den Nationalstaaten (gemeint sind die USA) machen würde. Noch ist ungewiss, wie die Schweiz in Zukunft in New York auftreten soll. In der Regel senden die Staaten ihre Diplomaten und Regierungsvertreter an die Vollversammlung, doch haben einzelne europäische Länder wie Holland und Dänemark begonnen, Parlamentarier einzubeziehen.

Die Aussenpolitische Kommission des Nationalrates brütet derzeit über Ideen, Wie sich die Parlamentarier international stärker engagieren könnten. SP-Nationalrat Paul Günter erklärte, mit der Vollmitgliedschaft bei der Uno müsse sich das Parlament intensiver um die Aussenpolitik kümmern. «Bis jetzt war dies nur ein Hobby von einigen Interessierten.»

Andreas Gross

 

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