28. Jan. 2014

Protokoll Europarat

Bericht
03. Sitzung
10.00 Uhr
(Dok. 13356)

Weiteres zum
Magnitskij-Bericht:
Zweiter Teil der Debatte (in English)

Kommentar zur Debatte:
A task for the Russian society (in English)

Zum vollständigen Magnitskij-Bericht:
English
Français

Sergeij Magnitskij wollte seinem Land dienen


Andreas GROSS, Schweiz, SOC

Danke, Frau Präsidentin - Meine Damen und Herren!

Ich hatte das Privileg, zusammen mit Günter Schirmer eine Geschichte schreiben zu können, die unglaublich ist. Die Geschichte eines einfa­chen Angestellten, Sergeij Magnitskij, eines Patrioten, eines Menschen, der sich, auch als Buchhalter und Steuerexperte, dem Gesetz verpflich­tet fühlte, der einer großen unrechtmäßigen Enteignung und einem noch größeren Diebstahl am russischen Volk durch russische Steuer­beamte auf die Spur kam. Das wollte er nicht einfach geschehen lassen und wehrte sich dagegen. Weil er Aufklärung wollte, wurde er verhaftet und man ließ ihn im Gefängnis buchstäblich verrecken.

Es ist die Geschichte vom russischen Strafvollzug und von russischen Gefängnissen, in denen die Menschen keine angemessene medizini­sche Versorgung bekommen, in denen sie je nach politischer Opportu­ni­tät drangsaliert, vernachlässigt, vergessen werden oder zu Tode kommen, ohne dass ihnen das zuteil wird, was jedem Menschen zusteht: Vorsorge und Fürsorge, auch wenn jemand Fehler gemacht hat.

Es ist die Geschichte von russischen Staatsangestellten, welche nicht dem Staate dienen, sondern vor allem der eigenen Tasche, die dem Staat Geld wegnehmen, das den Bürgern zusteht und das diese für den Bau von Infrastrukturen, Schulen, Krankenhäusern etc. heute dringend nötig hätten. Es ist die Geschichte eines Amerikaners, der in wilden Zeiten gute Geschäfte machte, der wusste, wie man schlechte Gesetze ausnützte, der aber nicht durch Diebstahl reich wurde, sondern weil er, eigentlich im Interesse derjenigen, die ihm Geld geliehen haben, die Korruption des Managements der Betriebe, an denen er beteiligt war, bekämpfte. Dies tat er so erfolgreich dass er durch den Kampf gegen die Korruption denselben Missständen auf die Spur kam, wie derjenige, der für ihn gearbeitet hatte, sodass es für ihn gefährlich wurde. Er durf­te nicht mehr nach Russland einreisen und wurde verfolgt.

Es ist die Geschichte dieses Amerikaners, der merkte, dass eigentlich er hätte getötet werden sollen, nicht derjenige, der für ihn arbeitete, der aber für das Schicksal dessen, der für ihn gearbeitet hatte, Empathie empfand, der dieses Unrecht nicht einfach vergessen lassen wollte und sich dafür einsetzte, auch uns zu veranlassen, uns damit auseinanderzusetzen.

Es ist die Geschichte von 230 Millionen Dollar, die gestohlen wurden und auf äußerst raffinierten, verschlungenen Wegen rund um die Welt geschickt, auf verschiedenen Banken deponiert und von gewissen wahrscheinlich für den Diebstahl mitverantwortlichen Personen in Häuser an den schönsten Orten der Welt investiert wurden.

Es ist jedoch nicht eine Geschichte gegen Russland. Sergeij Magnitskij war ein Patriot, der seinem Land dienen wollte. Dieser Bericht über Sergeij Magnitskij will ebenso Russland dienen. Jeder Mensch, jedes Land macht Fehler – große Länder machen große Fehler. Der Punkt ist nicht, dass man keine Fehler macht, sondern dass man begangene Fehler sieht, die notwendigen Lehren daraus zieht und erkennt, wie man sie künftig verhindern kann, und dass jene, die Unrecht begangen haben, zur Strafe gebracht werden.

In diesem Sinne ist das, was wir hier tun, ein Dienst an Russland - erstens ein Appell an Russland, alles zu tun, damit jene, die Unrecht getan haben, bestraft werden, und zweitens ein Erinnern Russlands an seine eigenen Verpflichtungen. Denn die Grundwerte des Europarates sind hier verletzt worden: das Recht auf Leben, das Recht auf Eigen­tum und das Recht, nicht gefoltert zu werden.

Das können wir nicht akzeptieren, vor allem, weil wir wissen, dass dieser große Bericht letztlich nur die Spitze des Eisbergs ist. Es gibt viele kleinere Geschichten, von denen wir nichts gehört haben und zu denen wir deshalb noch keine Berichte anfertigen konnten.

Ich danke Ihnen, wenn Sie diesen Bericht lesen, und wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie der Resolution zustimmen würden. Vielen Dank.

Frau Anne BRASSEUR, Präsidentin der Parlamentarischen Ver­samm­lung des Europarates: Vielen Dank dem Berichterstatter.


Kontakt mit Andreas Gross



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